Herausforderungen der Mensch-Maschine-Interaktion
Werker kommunizieren mit intelligenten und vernetzten Produktionsanlagen. Prozessabläufe werden mit Datenbrillen gesteuert. Umfassende Logistiksysteme sorgen für automatisierten Teilenachschub. In Tischlereien fertigen Roboter individuelle Teile nach Maß – Die Arbeit des Menschen verändert sich durch die Digitalisierung hervorgerufene Mensch-Maschine-Interaktion.
Das Projekt »Gesunde Arbeit in Pionierbranchen« (GAP) veranstaltete am 6. April in Jena eine Fallstudien-Tagung zur gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeit in digital vernetzten Arbeitsprozessen. In vier sogenannten »Pionierbranchen«, die sich durch ihre Vorreiterrolle und Innovationsfreudigkeit hinsichtlich der Digitalisierung und Industrie 4.0 auszeichnen, wurden technische Veränderungen abgefragt, um verallgemeinerbare Ergebnisse für die Arbeit der Zukunft abzuleiten.
Assistenzsystem vs. individuelle Entscheidungsspielräume
Digitalisierung und Industrie 4.0 sind allgegenwärtig in Branchen mit hohem Facharbeiteranteil und hohem Automatisierungspotenzial, wie im Automobilbau oder der Halbleiterindustrie. Werker nutzen sogenannte Wearables wie Datenbrillen als tragbare Assistenzsysteme zur Datenverarbeitung. Menschen und Maschine arbeiten Hand in Hand zusammen und diese technologische Entwicklung ist aus der modernen Industrie nicht mehr wegzudenken. Die Vision zur weiteren Steigerung des Automatisierungsgrads liegt im „automated decision making“, wobei das mobile Remote-Arbeiten und der Einsatz von Expertensystemen z.B. mit 3D-Kameras eine immer zentralere Rolle spielen.
Automatisierung vs. Kommunikation
Mit der Digitalisierung geht ein erhöhter Grad an Automatisierung einher, der eine schnellere technologische Entwicklung ermöglicht, als Anpassungen in Produktionsprozessen vorgenommen werden können. Kosten- und effizienzgetriebene Unternehmen in wettbewerbsintensiven Branchen steigern den Automatisierungsgrad soweit wie möglich. Sylvio Schinke, Prokurist des Halbleiterproduzenten FABMATICS sagt: „Der vorliegende Automatisierungsgrad (rund 90%) lässt sich derzeit kaum noch sinnvoll steigern“. Der Mensch greift bei dabei nur noch in komplexen Prozessen und Störfällen ein und übernimmt in diesem Sinne zunehmend Kontroll- und Überwachungsfunktionen.
Noch wird der Roboter nur als ein Werkzeug eingesetzt. Das kann sich aber zukünftig ändern, wenn Roboter zu kognitiven Maschinen werden, die selbständig Entscheidungen auf Basis aufgenommener und verarbeiteter Daten treffen. Daher ist es notwendig, Automatisierungsprozesse transparent zu gestalten und die Akzeptanz der Menschen für intelligente Maschinen als Arbeitspartner zu stärken.
Es gibt kein allgemeingültiges Verständnis für die Parameter der Industrie 4.0. Für jedes Tätigkeitsfeld liegen spezifische Bedarfs- und Anwendungsfelder vor, die gesondert zu betrachten sind. So resultieren auch spezifische Belastungskonstellation für die Arbeitsgesundheit und entsprechende Lösungsstrategien müssen branchenspezifisch gefunden werden.
IT als Motor der Innovation nutzen
Der Softwareanteil in der Wertschöpfung steigt, wie beispielsweise in der Interaktion zwischen Mensch und Freirobotersystemen. In agilen Arbeitsprozessen ermöglicht IT Geschäftsmodellinnovationen zur Serviceorientierung. Zusätzlich zur klassischen Stabilitätskomponente der IT wird so eine Veränderungskomponente für mehr »usability« beim Anwender gewonnen.
Digitalisierung als Chance in KMU
Insbesondere bei Unternehmensübergaben sind die Chancen der zunehmenden Digitalisierung strategisch implementierbar. Unternehmensstrukturen müssen ins digitale Zeitalter transformiert werden, beispielsweise indem private Informationswelten wie Whatsapp und Co als Vorbild für ein betriebliches Informationsmodell genommen und entsprechende Tools zur Smart Nutzung in der Geschäftswelt eingeführt werden. Als Zugpferd geht der Inhaber mit der technologischen Neuerung voraus und führt die Belegschaft modellhaft in die Nutzung ein. Durch Information, positive Beispiele und konkrete Handlungsempfehlungen kann so die Technologisierung umgesetzt werden und Arbeitnehmer können damit Erfahrungen sammeln. In Form von Weiterbildung können Ängste und Unsicherheiten reduziert und Sicherheit im Umgang mit der Erneuerung erlangt werden. Dieses Investment in die eigenen Fachkräfte zahlt sich aus, um Reserviertheit und Entgegenwirken abzubauen. Entscheidend dabei ist vor allem eine offene und transparente Kommunikation über digitale Technologien und Veränderungen, die die Belegschaft direkt betreffen. Die neuen Herausforderungen können am besten im Netzwerk oder in Zusammenarbeit mit Start-Ups gelöst werden.